TARIFVERTRÄGE SICHERN EINE ANGEMESSENE UND GERECHTE BEZAHLUNG

 

 

Dazu sagt der wirtschaftspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Oliver Brandt:

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

 

eine der größten Herausforderungen für Schleswig-Holstein ist der zunehmende Fachkräftemangel. Im Land werden laut Fachkräfteprojektion im Jahr 2035 mindestens 180.000 Fachkräfte fehlen. Schon jetzt können Stellen in nahezu allen Branchen nicht oder nur mit langer Verzögerung besetzt werden. Das gilt auch im Sektor der erneuerbaren Energien – einer Schlüsselbranche für Schleswig-Holstein.

 

Wir haben das Ziel, erstes klimaneutrales Industrieland zu werden. Dafür müssen wir diese zentrale Herausforderung angehen. Neben Fachkräfteintegration und -zuwanderung, neben verbesserten Rahmenbedingungen in Ausbildung und Qualifizierung, neben einer besseren Vereinbarung von Familie und Beruf, heißt das auch, die Arbeitsbedingungen der Menschen bei uns im Land weiter zu verbessern.

 

Tarifverträge erfüllen hierfür eine zentrale Funktion: Sie sichern eine angemessene und gerechte Bezahlung, regeln Arbeitszeit und Urlaubsansprüche. Wie eine aktuelle Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung gezeigt hat, arbeiten Vollzeitbeschäftigte in nicht tarifgebundenen Betrieben im Mittel wöchentlich 54 Minuten länger und verdienen elf Prozent weniger als Beschäftigte in Betrieben mit Tarifbindung.

 

Das kann einen Unterschied machen, wenn zum Beispiel eine Facharbeiterin entscheidet, die Westküste zu verlassen, um in Hamburg Ihr Glück zu suchen. Die steigende Inflation und damit verbundene höhere Lebenshaltungskosten könnten solche Entwicklungen noch beschleunigen.

 

Auch Arbeitgeber*innen können von Tarifverträgen profitieren. Die Kosten der Aushandlung der Beschäftigungsbedingungen und das Risiko von Produktionsausfällen durch Arbeitskämpfe können durch verlässliche Tarifvereinbarungen verringert werden.

 

Aktuell erleben wir einen Arbeitskampf beim Windanlagenhersteller Vestas. Während einige andere Branchenunternehmen tarifgebunden sind oder sich in konkreten Gesprächen mit der Gewerkschaft befinden, blockiert Vestas seit Monaten Gespräche mit dem zuständigen Tarifpartner IG Metall.

Die Tarifautonomie ist ein hohes Gut, dass sich seit Jahrzehnten bewährt hat. Ich möchte an dieser Stelle betonen, dass zu einer Tarifpartnerschaft immer zwei Seiten gehören. Das Vorgehen des Unternehmens verwundert umso mehr, weil Vestas in Österreich und Dänemark – wo das Unternehmen seinen Sitz hat – eine Tarifbindung eingegangen ist. Ich appelliere daher an die Geschäftsleitung, die in Deutschland geltende Tarifautonomie ebenfalls zu respektieren. Tarifparteien sind Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften, nicht der Betriebsrat.

 

In Schleswig-Holstein ist die Tarifbindung – wie auch bundesweit – seit Jahren rückläufig. Das hat vielfältige Ursachen, liegt aber nicht zuletzt an der Zunahme atypischer und nichtregulärer Beschäftigung wie Zeitarbeit, Teilzeit und selbständiger Beschäftigung in Niedriglohnbranchen.

 

Im Koalitionsvertrag haben wir daher vereinbart, dieses Thema zu adressieren. Das Land muss eine Vorbildfunktion übernehmen. Daher wollen wir insbesondere Reinigungskräfte, die dauerhaft für das Land arbeiten, aber nicht beim Land angestellt sind, wieder in den Landesdienst überführen. Das ist ein langer Weg, aber wir werden ihn beschreiten.

 

Darüber hinaus wollen wir gemeinsam mit den Sozialpartner*innen beraten, wie wir zu einer stärkeren Tarifbindung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge kommen, ohne dabei gleichzeitig für die Unternehmen zusätzlichen bürokratischen Aufwand zu erzeugen.

 

Ich wiederhole, was ich hier bereits im vergangenen Jahr betont habe: Wir Grüne halten Tarifbindung im Zusammenhang mit den Vergabekriterien des Landes für eine geeignete Maßnahme. Sie muss aber auch praktikabel ausgestaltet sein. Ich freue mich daher auf unser im Wirtschaftsausschuss geplantes Fachgespräch zu diesem Thema.

 

Um die großen Herausforderungen in unserem Land erfolgreich zu bewältigen, brauchen wir eine innovative und produktive Wirtschaft. Dazu gehören auch motivierte und zufriedene Arbeitskräfte. Ohne sie stehen unsere Windräder still, unsere Betriebe produzieren nicht und unsere Infrastruktur sowie unsere Versorgung sind gefährdet. 

 

Diese Menschen müssen in unserem Land Arbeitsstandards vorfinden, die nicht nur konkurrenzfähig sind, sondern die auch den Bedürfnissen der Arbeitnehmer*innen gerecht werden.

 

Die Tarifbindung ist ein wichtiges Instrument und als Land stehen wir in der Verantwortung. Das ist zukunftsorientierte Standortpolitik.

 

Vielen Dank!



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