DIE ENTFERNUNGSPAUSCHALE SOLL SOZIAL UND ÖKOLOGISCH GERECHTER WERDEN

 

Dazu sagt der arbeitspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Oliver Brandt:

 

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleg*innen,

 

Pendeln zum Arbeitsort, insbesondere über lange Strecken, ist anstrengend und belastet die Beschäftigten. Lange Arbeitswege wirken sich nachteilig auf die Freizeit und die produktive Arbeitszeit aus und erhöhen das Krankheitsrisiko. Pendler*innen leiden häufiger unter psychosomatischen Erkrankungen wie Kopf- und Rückenschmerzen, gehen seltener zum Arzt und treiben weniger Sport. Damit sind lange Fahrtzeiten volkswirtschaftlich ineffizient.

 

Weite Strecken zum Arbeitsort haben aber auch ökologische Auswirkungen: zum Beispiel einen erhöhten CO2-Ausstoß und eine stärkere Schadstoffbelastung in der Luft – Feinstaub entsteht auch durch Elektroautos. Die Entfernungspauschale in der heutigen Form setzt Anreize für lange Arbeitswege. Das Umweltbundesamt und Umweltverbände kritisieren seit langem, dass dadurch der Trend zu mehr Verkehr gefördert wird. Dies ist aus den genannten ökologischen und volkswirtschaftlichen Gründen nicht sinnvoll. Auch sozial ist die Pendler*innenpauschale nicht gerecht, denn Bezieher*innen höherer Einkommen profitieren aufgrund der Steuerprogression in absoluter Höhe stärker von langen Wegstrecken als Geringverdiener*innen. Zudem legen Menschen mit geringerem Einkommen statistisch gesehen kürzere Strecken zurück.

 

Mit der Einführung der Mobilitätsprämie 2021 können erstmals auch Berufstätige, die aufgrund ihres geringen Einkommens keine Steuern zahlen, ihre Kosten für Fahrten zum Arbeitsweg geltend machen. Diese Regelung ist allerdings bis 2026 befristet. Hier sollte eine dauerhafte Lösung gefunden werden. Ich begrüße es daher ausdrücklich, dass die Ampel-Koalition im Februar 2022 vereinbart hat, eine soziale und ökologische Neuordnung der Pendler*innenpauschale in Angriff zu nehmen.

 

Umso mehr wundert mich der Antrag der FDP, dem der SSW inzwischen beigetreten ist. Warum fordern Sie die Landesregierung auf, sich in Berlin für eine Entlastung von Pendler*innen einzusetzen? Warum wenden Sie sich nicht an Ihren Finanzminister oder Verkehrsminister? Sie haben doch in Berlin die Gestaltungsmacht. Die Antwort kann ich Ihnen geben: Die Vereinbarung, die im Koalitionsausschuss der Ampel getroffen wurde, passt natürlich nicht mit einer generellen Anhebung der Pendle*innenpauschale auf 38 Cent zusammen.

 

Noch ein paar Worte zum Argument der erheblichen Kostensteigerungen, das im Antrag von FDP und SSW als Begründung herhalten soll. Ein Liter Super E10 kostete im Februar 2013 160,6 Cent, aktuell sind es 181,4 Cent. Das ist ein Anstieg von 13 Prozent über zehn Jahre. Die Inflation betrug von 2013 bis 2022 kumuliert 21 Prozent. Der Preisanstieg beim Benzin lag damit also deutlich unter der Inflationsrate.

 

Eine Bahncard 50 ist heute mit 244 Euro günstiger als vor zehn Jahren, da kostete sie 249 Euro. Demnächst bekommen wir mit dem Deutschlandticket für 49 Euro ein unschlagbar günstiges Angebot für Pendler*innen. Daher können erhebliche Kostensteigerungen eine Anhebung der Pendler*innenpauschale auf 38 Cent vom ersten Kilometer nicht rechtfertigen. Dies wäre eine Steigerung von über 26 Prozent gegenüber dem derzeitigen Satz von 30 Cent, der für die ersten 20 Kilometer gilt. Inhaltlich stehe ich voll hinter der Vereinbarung auf Bundesebene, soziale und ökologische Belange der Mobilität zukünftig stärker bei der Entfernungspauschale zu berücksichtigen.

 

Das Bundesverfassungsgericht hat bereits 2008 in einem Urteil zur Entfernungspauschale eine umweltpolitische Verhaltenslenkung als Rechtfertigungsgrund für die Ausgestaltung der Einkommensteuer für zulässig erklärt. Aufgrund neuer Arbeitsmodelle sollte eine steuerliche Reform der Werbungskosten ganzheitlich betrachtet werden. So könnte eine Reform der Pendler*innenpauschale mit verstärkten steuerlichen Anreizen zum Beispiel für Homeoffice oder Arbeiten in Coworking-Spaces verknüpft werden. Angesichts des Wandels auf dem Arbeitsmarkt müssen Arbeitnehmer*innen zudem nur noch in Ausnahmefällen eine neue Arbeitsstelle antreten, die weit vom Wohnort entfernt liegt, da es viel mehr offene Stellen gibt als noch vor einigen Jahren.

 

Wir bitten daher die Landesregierung, sich in den Prozess, der in Berlin vereinbart wurde, aktiv einzubringen, damit die Entfernungspauschale sozial und ökologisch gerechter wird. Dies ist auch dringend erforderlich, da die gesetzlich festgeschriebenen Klimaziele im Verkehrssektor bis heute deutlich verfehlt werden. Hier hat das FDP-geführte Bundesverkehrsministerium bisher wenig geliefert und kann daher etwas Nachhilfe aus Schleswig-Holstein gut gebrauchen.



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