WIR MÜSSEN FACHKRÄFTE MIT ATTRAKTIVEN ARBEITSBEDINGUNGEN BINDEN

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleginnen und Kollegen!

 

Schlafen und vielleicht etwas essen – vielmehr dürfte bei einem 13 Stunden Tag kaum noch möglich sein. Berücksichtigt man die vorgeschriebene Pause von einer Stunde und die Tatsache, dass die meisten von uns auch einen Anfahrtsweg zu meistern haben, dann kommen wir auf gut und gerne 15 Stunden außer Haus. 

 

Das, liebe FDP, hat nichts mit Work-Life-Balance oder der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu tun. 

 

Der Trend geht in eine andere Richtung: Arbeitnehmer*innen wollen weniger arbeiten, um mehr Zeit für ihre Familie, Freunde, Sport – kurz gesagt – um mehr Freizeit zu haben. Die 40-Stunden Woche an drei Arbeitstagen durchziehen, um dann den Rest der Woche frei zu haben – das wollen die wenigsten. Arbeitszeiten, die in den Abendstunden liegen oder an den Wochenenden, sind für die Mehrheit unattraktiv. Nicht nur das: Solche Arbeitsverdichtungen machen Menschen krank – zahlreiche Studien belegen das. Gerade aber in ohnehin schon angespannten Personalsituationen verschärfen solche Ausfälle das Fachkräfteproblem weiter. 

 

Wir brauchen Fachkräfte. Und wir müssen diese Fachkräfte mit attraktiven Arbeitsbedingungen binden. Ich denke, darin sind wir uns alle hier einig.

 

Die Stärkung der Tarifbindung ist hier ein guter Weg, um etwa eine faire Bezahlung durchzusetzen und wir wollen gemeinsam daran konstruktiv und im Dialog mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden arbeiten.

 

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP,

sie wollen mit der Erhöhung der werktäglichen Arbeitszeit Arbeitgeber*innen einen Anreiz bieten, Tarifverträge abzuschließen. Ein Ansatz, der ins Leere läuft. Aufgrund der in Paragraf 7, Absatz 3 des Arbeitszeitgesetzes formulierten Öffnungsklausel ist die Anwendung einer solchen gesetzlichen Änderung auch für nicht tarifgebundene Unternehmen möglich.

 

Ich zitiere: „durch Betriebs- oder Dienstvereinbarung oder, wenn ein Betriebs- oder Personalrat nicht besteht, durch schriftliche Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und dem Arbeitnehmer.“

 

Hier gibt es keinen Anreiz, vielmehr die konkrete Gefahr, dass Arbeitnehmer*innen durch Einzelvereinbarungen systematisch benachteiligt werden. Und übrigens: Für das von Ihnen benannte Beispiel, das Hotel- und Gaststättengewerbe, gilt bereits seit letztem Jahr, dass Tarifverträge allgemeinverbindlich sind. 

 

Es gibt andere Wege, um Anreize zu setzen. So könnte man die Tariftreue und faire Löhne gezielt an die Wirtschaftsförderung koppeln, etwa über ein Punktesystem. Das könnte ein viel wirksamerer Hebel sein, um die Tarifbindung mittelfristig zu erhöhen. Unsere Nachbarn in Mecklenburg-Vorpommern machen das vor. Auch fehlt es an einer Beratungsstelle zu diesem Thema, die Unternehmen bei deren Überlegungen unterstützt und Vorteile aufzeigt. Das sind nur zwei Beispiel für Ideen, die das Thema ernst nehmen; die Anhebung der Arbeitszeit auf 13 Stunden tut dies leider nicht. 

 

Schaut man sich die Zahlen des Sozioökonomischen Panels an, dann zeigt sich ein weiteres Problem: Viele, die in Teilzeit arbeiten, würden gerne mehr Stunden arbeiten. Gerade bei geringfügig Beschäftigten ist dieser Wunsch besonders groß. Und was wenig überrascht: Das betrifft in erster Linie Frauen. Insbesondere Mütter arbeiten oft in Teilzeit, im Gegensatz zu den meisten Vätern.

 

Gelingt es uns hier, die Rahmenbedingungen so zu verbessern, dass insbesondere Frauen in ihrer Erwerbstätigkeit unterstützt werden, etwa durch eine partnerschaftliche Aufgabenteilung, umfassende und flexible Kinderbetreuungsmöglichkeiten sowie bessere steuerliche Anreize für eine Ausweitung der Erwerbstätigkeit von Ehefrauen, dann können wir wirklich etwas gegen den Fachkräftemangel tun. 

 

Die angekündigte Reform des Arbeitszeitgesetzes bietet die Gelegenheit, Flexibilität und familienfreundliche Arbeitszeiten stärker zu berücksichtigen sowie Anreize für gerechte Teilhabechancen von Eltern am Erwerbsleben zu schaffen.

 

Klar muss allerdings sein, dass die Bedingung für jede weitere Flexibilisierung, die Einhaltung grundlegender Aspekte des Arbeitsschutzes ist und das ohne Kompromiss. Niemand – und das gilt in erster Linie auch für Arbeitgeber*innen – kann ausgebrannte und überlastete Mitarbeitende gebrauchen. Das, liebe Kolleg*innen, gilt es um jeden Preis zu verhindern.

 



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