AKTEURE DER WEHRTECHNIK-INDUSTRIE UND DER KREDITWIRTSCHAFT ZUSAMMENBRINGEN

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

liebe Kolleg*innen,

 

mit dem Einmarsch russischer Truppen auf das Gebiet eines souveränen Staates am 24. Februar 2022, dem Beginn des völkerrechtswidrigen russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat sich die Sicherheitslage in Europa fundamental verändert. 

Dafür steht auch die gerade stattfindende, größte Luftwaffenübung seit Bestehen der NATO, in die auch Stützpunkte bei uns in Schleswig-Holstein eingebunden sind. 

Mit der von Bundeskanzler Olaf Scholz ausgerufenen Zeitenwende geht ein neues Sicherheitsbedürfnis einher. Die vor kurzem von der Bundesregierung vorgestellte nationale Sicherheitsstrategie enthält den Satz: „Das heutige Russland ist auf absehbare Zeit die größte Bedrohung für Frieden und Sicherheit“. 

Darauf müssen wir uns einstellen. Das Bekenntnis zur Bündnisverteidigung unter den NATO-Mitgliedsstaaten und das 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen zur Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Bundeswehr gehören dazu. 

Eine Sichtweise, die für uns Grüne noch vor kurzer Zeit einige Bauchschmerzen bereitet hätte, zu der ich aber heute angesichts der Bedrohungslage stehe. Aber mit diesem Schwenk stehen wir ja keineswegs allein da, wenn man die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik in den vergangenen 30 Jahren betrachtet.

In den letzten Monaten haben wir uns intensiv mit der Situation der Wehrtechnik-Industrie in Schleswig-Holstein beschäftigt. Die Anhörung im Wirtschaftsausschuss und die darüber hinaus geführten Gespräche haben gezeigt, welche Bedeutung diese Branche wirtschaftlich für unser Land hat, aber auch, vor welchen Herausforderungen viele Betriebe stehen. 

Die Wehrtechnik-Industrie ist ein großer Wirtschaftszweig bei uns im Land, der viele, oftmals hochqualifizierte Arbeitsplätze bietet. In der Anhörung haben viele Wehrtechnik-Betriebe über schwierige Finanzierungsbedingungen berichtet. Projektlaufzeiten von teilweise über zehn Jahren und damit verbundene ebenso lange Zeiträume, in denen hohe Summen von den Unternehmen vorfinanziert werden müssen, sind für die Unternehmen herausfordernd, aber eben auch für Banken im Rahmen ihrer Risikobewertung bei der Kreditvergabe. 

Daher müssen die Sichtweisen beider Branchen in den Blick genommen werden. Lösungen können nur gemeinsam gefunden werden. Aus diesem Grund bitten wir die Landesregierung, in einem nächsten Wehrtechnik-Gipfel Akteure der Wehrtechnik-Industrie und der Kreditwirtschaft zusammenbringen. Im konstruktiven Dialog sollen so Schwierigkeiten benannt und Lösungsansätze erarbeitet werden.

Ein weiteres Finanzierungshemmnis, das bei den geführten Gesprächen zutage getreten ist, sind die unflexiblen Vergabebedingungen bei Aufträgen der Bundeswehr. Zum einen zahlt die Bundeswehr erst nach Abschluss des beauftragten Projekts, ohne jede Abschlagszahlung, wie es zum Beispiel bei Bauprojekten üblich ist. Zum anderen werden Preissteigerungen in den Beschaffungsrichtlinien des Beschaffungsamtes der Bundeswehr nicht berücksichtigt, und zwar aufgrund von Vorgaben aus dem Bundesfinanzministerium.

Welches Unternehmen ist schon in der Lage, ein Projekt in Millionenhöhe über zehn Jahre vorzufinanzieren? Wer kann es sich heute noch erlauben, Aufträge in dieser Höhe abzuwickeln, die Kostensteigerungen nicht ausreichend berücksichtigen? Hier sollten die Bedingungen systematisch überprüft und an veränderte Herausforderungen angepasst werden. Nur dann können die Betriebe in unserem Land auch an dem Sondervermögen partizipieren.

Die von Bundesverteidigungsminister Pistorius Ende April angekündigten Vereinfachungen im Beschaffungsprozess sind nur ein erster Schritt. Viele Prozesse und Verfahren müssen im Dialog mit den Betrieben und allen beteiligten Akteuren auf den Prüfstand gestellt werden. Andernfalls wird die angekündigte Zeitenwende im Hinblick auf eine bessere Ausstattung der Bundeswehr nicht funktionieren. 

Lösungen sind jetzt gefragt, daher ist der gemeinsame Dialog mit der Wehrtechnik-Industrie und der Kreditwirtschaft so wichtig. Die Frage, ob Wehrtechnik nachhaltig ist oder nicht, spielt für die aktuellen Herausforderungen überhaupt keine Rolle, da es dazu absehbar in den nächsten Jahren keine Festlegung auf EU-Ebene geben wird. Den Antrag der FDP lehnen wir daher ab. 

 

Vielen Dank!



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