Aufarbeitung der NS-Vergangenheit fortsetzen! 11. Mai 202314. Mai 2024 Foto: Franziska Ostermann Sehr geehrte Damen und Herren, auch 90 Jahre nach Hitlers Machtergreifung ist die Beschäftigung mit den Verbrechen der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft in Deutschland und weiten Teilen Europas unsere demokratische Pflicht. Gleichzeitig werden die Zeitzeug*innen, die uns die unfassbaren Verbrechen der NS-Diktatur und des Holocaust eindringlich in Erinnerung rufen, immer weniger. Umso wichtiger ist es, die historische Aufarbeitung der NS-Herrschaft unermüdlich fortzusetzen. Gerade weil die Erinnerung an die Einzigartigkeit der durch das NS-Regime begangenen Verbrechen zu verblassen droht, ist unsere Demokratie aufgefordert, der Verharmlosung der nationalsozialistischen Vergangenheit entgegenzuwirken. Dass dies notwendig ist, haben die Vorkommnisse an einer brandenburgischen Schule in den vergangenen Tagen und Wochen gezeigt. Gerade jungen Menschen müssen wir bewusst machen, dass die Rückkehr der Nazi-Ideologie ein fataler Irrweg ist und in unserer Demokratie keinen Platz haben darf. Dazu gehört auch weiterhin die Aufarbeitung der Rolle von Verantwortlichen in Politik und Verwaltung im Dienst des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein. Der Schleswig-Holsteinische Landtag hat in den vergangenen Jahren mit der Beauftragung von wissenschaftlichen Studien zur Kontinuität in der schleswig-holsteinischen Legislative und Exekutive nach 1945 sowie der Elitenkontinuitäten in Schleswig-Holstein bereits wichtige Forschungsprojekte angestoßen. Die Finanzbehörden, die eine besondere Rolle bei der staatlich legitimierten und organisierten Beraubung von Jüdinnen und Juden, Sintize und Sinti sowie Romnja und Roma im Nationalsozialismus spielten, standen allerdings bislang noch nicht im Fokus der historischen Forschung in Schleswig-Holstein. Dabei lässt sich an ihrem Beispiel das untersuchen, was die jüdische Politologin Hannah Arendt als die „Banalität des Bösen“ bezeichnet hat: der Einzug des Totalitarismus in die Verwaltungsstrukturen des Deutschen Reiches. Daher möchte ich mich für die Initiative der FDP bedanken, die in einen gemeinsamen Antrag aller im Landtag vertretenen Fraktionen gemündet ist. Ich freue mich, dass über die Notwendigkeit der weiteren Forschungstätigkeit zur Rolle und Verantwortung der Finanzverwaltung im Nationalsozialismus in diesem Haus Einigkeit besteht. Die wichtige Bedeutung einer historischen Aufarbeitung der Rolle der Finanzverwaltung in der NS-Zeit haben nicht zuletzt die Forschungsprojekte gezeigt, die das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in Auftrag gegeben hat. Das BMF hatte bereits 2009 eine unabhängige Kommission aus Historiker*innen eingesetzt, um die Tätigkeit des Reichsfinanzministeriums in der Zeit des Nationalsozialismus zu untersuchen. Einen von mehreren Schwerpunkten bildete hierbei die nationalsozialistische Raub- und Beutefinanzierung im Rahmen der sogenannten fiskalischen Judenverfolgung, also der Besteuerung jüdischen Vermögens, und der Einziehung des Vermögens sogenannter Reichsfeinde, darunter Sintize und Sinti sowie Romnja und Roma. Die Ergebnisse der Arbeit dieser Unabhängigen Historiker*innenkommission wurden 2018 vorgelegt. Ich möchte an dieser Stelle Prof. Dr. Oliver von Wrochem zitieren, den Vorstand der Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte, die Anfang 2023 von der Hamburger Finanzbehörde mit dem Aufarbeitungs-Projekt der Verstrickung der Hamburger Finanzverwaltung in Verbrechen an Jüdinnen und Juden, Sintize und Sinti sowie Romnja und Roma beauftragt wurde: „Die finanzielle Ausbeutung der jüdischen Bevölkerung und die Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz gilt heute als Vorstufe zu ihrer späteren physischen Vernichtung. Die Finanzverwaltungen spielten bei der systematischen Enteignung jüdischen Vermögens eine zentrale Rolle.“ Dies nun auch für Schleswig-Holstein untersuchen zu lassen, ist unser Auftrag, den wir mit dem gemeinsamen Antrag an die Landesregierung heute auf den Weg bringen. Vielen Dank!