Löhne an Inflation anpassen! 11. Mai 202314. Mai 2024 Foto: Franziska Ostermann Sehr geehrte Damen und Herren, der 2015 in Deutschland eingeführte Mindestlohn hat sich als ein wichtiges Instrument zur Eindämmung von Armut erwiesen, auch wenn man einräumen muss, dass der Mindestlohn für Familien nicht existenzsichernd ist. Damals haben vier Millionen Erwerbstätige direkt profitiert. Die Einführung hatte zudem keinen negativen Effekt auf die Beschäftigung, gleichzeitig hat die Zahl der Minijobs zu Gunsten von Teilzeit- oder Vollzeitstellen seitdem deutlich abgenommen. Die Systematik des Mindestlohns beinhaltet, dass er regelmäßig den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen angepasst wird. Steigende Lebenshaltungskosten ziehen eine angemessene Erhöhung nach sich. Und die Dynamik der vergangenen Monate hat gezeigt, dass sich die ökonomische Situation auch in kurzer Zeit radikal verändern kann. Im April lag die Inflationsrate – trotz einer leicht rückläufigen Tendenz – immer noch bei 7,2 Prozent. Insbesondere Haushalte mit geringem Einkommen spüren das. Daher sind die Tarifabschlüsse der vergangenen Wochen eine gute Botschaft für Arbeitnehmer*innen. Steigen die Preise so rasant wie zuletzt, muss die Lohnentwicklung nachziehen – daran führt kein Weg vorbei. Das gilt auch für die Absicherung der Löhne nach unten. Ein Mindestlohn, der die Preisentwicklung nicht berücksichtigt, erfüllt seinen Zweck nicht. Aus diesem Grund war die Erhöhung auf 12 Euro durch die Bundesregierung im vergangenen Jahr richtig. Der politische Eingriff an dieser Stelle sollte allerdings die Ausnahme bleiben. Mit der Mindestlohnkommission haben wir eine unabhängige Institution, bestehend aus den Sozialpartnern und Vertreter*innen aus der Wissenschaft. Es ist Aufgabe der Kommission, die Auswirkungen des Mindestlohns kontinuierlich zu prüfen. Dazu gehören Auswirkungen auf die Wettbewerbsbedingungen, auf die Produktivität und auf den Schutz von Arbeitnehmer*innen. Eingriffe in die Arbeit der Kommission von außen müssen deshalb gut begründet sein, um die Arbeit der Kommission nicht zu schwächen. Über die nächste Anpassung hat die Kommission bis Ende Juni zu entscheiden – das macht im Hinblick auf die Preisdynamik der letzten Zeit durchaus Sinn. Von da an soll die Kommission nach derzeitigem Stand alle zwei Jahre einen neuen Vorschlag zur Anpassung machen. In Zeiten hoher Inflation ist das eine lange Zeitspanne. Deshalb halten wir es für angemessen zu prüfen, ob diese zwei Jahre richtig gewählt sind oder ob eine Anpassung erfolgen sollte. Auf eine angemessene Erhöhung kommt es auch bei der Betriebsrentenanpassung an. Insofern kann ich das Anliegen des SSW grundsätzlich nachvollziehen. Ob der im Antrag vorgeschlagene Weg allerdings der richtige ist, da habe ich meine Bedenken. Worum geht es? Arbeitgeber*innen sind verpflichtet, regelmäßig die Anpassung der Höhe von Betriebsrenten zu prüfen. Dabei müssen die Interessen der Beschäftigten, aber auch die der Unternehmen berücksichtigt werden. Diese Pflicht entfällt, sofern sich Arbeitgeber*innen verpflichten, die Betriebsrente um jährlich ein Prozent zu erhöhen. So viel zur Rechtslage. Ein Prozent, das scheint nicht besonders viel zu sein – gerade in Anbetracht der gegenwärtigen Situation. Aber die Regelung der Mindestanpassung hat in der langfristigen Betrachtung auch Vorteile: So kann der/die Rentner*in diese gerade auch dann verlangen, wenn eine schlechte wirtschaftliche Lage dem/der Arbeitgeber*in das Recht einräumen würde, eine Anpassung zu verweigern. Es handelt sich auf lange Sicht somit um ein Absicherungsinstrument für beide Seiten. Zudem kann von der Mindestanpassung im Rahmen kollektivvertraglicher Regelungen jederzeit nach oben abgewichen werden. Die Erhöhung um ein Prozent ist also nicht in Stein gemeißelt. Aus meiner Sicht ist hier noch eine Reihe von Fragen offen, die wir im Rahmen der weiteren Beratung im Ausschuss klären sollten.