Haushalt mit Augenmaß angesichts schwieriger Rahmenbedingungen 24. Januar 202431. März 2024 Foto: Franziska Ostermann Zu den Haushaltsberatungen 2024 sagt der haushaltspolitische Sprecher der grünen Landtagsfraktion, Oliver Brandt: „Der Haushalt 2024 ist der schwierigste, den ich bisher auf den Weg gebracht habe“, sagte Finanzministerin Monika Heinold anlässlich der Präsentation des Haushaltsentwurfs am 12. Dezember. Mir stehen derlei Vergleiche nicht zu, schließlich ist das meine erste Haushaltsrede in diesem Haus, aber ich glaube, dieses Zitat verdeutlicht den Ernst der Lage. Daher möchte auch ich der Landesregierung zunächst für die Vorlage dieses Haushaltsentwurfs danken, der unter schweren Rahmenbedingungen entstanden ist. Bereits seit 2020 befinden sich Staat und Gesellschaft im Krisenmodus. Mit der Bewältigung der Corona-Pandemie und anschließend mit den Auswirkungen des fortdauernden russischen Angriffskriegs auf die Ukraine hat der Staat entschlossen reagiert und versucht, die allergrößten Härten für Wirtschaft und Bevölkerung abzupuffern. Dies ging nur über temporäre Steuerentlastungen sowie erhebliche zusätzliche Ausgaben, die über Notkredite finanziert wurden. Nun befinden wir uns in einer Situation, in der wir durch die kriegsbedingte Energiekrise, vorübergehende Lieferkettenengpässe und damit verbundene Preissteigerungen zuletzt eine sehr hohe Inflation erlebt haben: Rund sieben Prozent im Jahr 2022 und rund sechs Prozent im Jahr 2023. Dadurch steigen auch die Sachausgaben des Landes, bei für den Landeshaushalt besonders relevanten Bau- und Bewirtschaftungskosten sogar überdurchschnittlich. Die Zinsentwicklung sorgt für eine zusätzliche Belastung von 150 Millionen Euro. Gleichzeitig steigt der Mittelbedarf aufgrund von Herausforderungen im Zusammenhang mit der Notlage, wie zum Beispiel für die Unterbringung und Integration von Geflüchteten und die in der Folge gestiegene Zahl von Schüler*innen. Ein weiterer großer Kostenblock ist das Personal. Der Tarifabschluss vom Dezember 2023 und die Übertragung auf die Landesbeamt*innen schlagen im Haushalt 2024 mit 210 Millionen Euro zu Buche. Dieser Betrag wäre im Übrigen ohne die Übertragung der Tarifvorsorge von 2023 auf das laufende Haushaltsjahr noch deutlich höher ausgefallen. Diese Mehrausgaben sind notwendig und völlig gerechtfertigt, und ich begrüße, dass die Landesregierung bereits angekündigt hat, dass die verfassungskonforme Besoldung auch im Jahr 2024 sichergestellt wird. Dazu kam dann im Oktober 2023 eine außergewöhnlich schwere Sturmflut an der Ostsee, unter deren Folgen die Bevölkerung immer noch leidet. Das Land hat hier schnell gehandelt und beteiligt sich an den erheblichen Kosten für den Wiederaufbau. Parallel haben diese Krisen auch Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und somit auf die Steuereinnahmen. Kurz zusammengefasst: Wir werden 2024 nur etwa so viel Steuern einnehmen wie vor zwei Jahren, gleichzeitig hatten wir in dieser Zeit eine inflationsbedingte Kostensteigerung von rund 13 Prozent. Ich erinnere hier noch einmal daran: Das Land hat so gut wie keine Einflussmöglichkeiten, seine Einnahmesituation zu verbessern, denn Steuergesetze macht der Bund. Und dann kam im November 2023 das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dass der Aufnahme von Notkrediten zur Bewältigung der multiplen Krisen zukünftig deutlich engere Grenzen setzt. Trotz alledem hat es die Landesregierung geschafft, im Haushaltsentwurf eine Lücke von 500 Millionen Euro zu schließen. Das war nur durch einige schmerzhafte Einschnitte quer durch alle Ressorts möglich sowie durch eine Reihe von Maßnahmen, mit denen wir auf unsere Reserven zurückgreifen, wie IMPULS, den Versorgungsfonds und mehrere Rücklagen. Und weil die Folgen des Ukrainekriegs, von Corona und der Ostseesturmflut andauern, enthält dieser Haushalt auch Mittel aus Notkrediten in Höhe von 643 Millionen Euro. Insgesamt ist es gelungen, einen Haushalt vorzulegen, der der Lage angemessen ist, aber dennoch politische Schwerpunkte setzt. Zwar wird gespart, aber mit Augenmaß: Ziel ist es, besondere Härten zu vermeiden. So gibt es bei Bildung und Kita keine Mittelkürzungen, aber eine Begrenzung der steigenden Kosten war nicht zu vermeiden. Auch beim Landespersonal werden Prioritäten gesetzt: Zurückhaltung beim Stellenaufwuchs, aber Fortführung unserer politischen Schwerpunkte. So werden 419 neue Stellen für Lehrpersonal geschaffen, auch für DaZ-Lehrkräfte. Die Anhebung der Klassengröße im DaZ-Bereich auf 18 Schüler*innen ist schmerzhaft, zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Klassengröße in anderen Ländern auf gleichem Niveau oder sogar darüber liegt. Auch der Innen- und Justizbereich wird weiter gestärkt: Insgesamt sollen in diesem Jahr 333 neue Polizeianwärter*innen eingestellt werden, davon 33 für den Aufbau der zweiten Einsatzhundertschaft. Die Stärkung der Justiz gemäß Personalbedarfsberechnung wird fortgeführt: Der Haushaltsentwurf enthält insgesamt zwölf neue Stellen an Gerichten, 13 neue Stellen in den Staatsanwaltschaften und 31 neue Stellen im Justizvollzug. Weitere 33 Stellen sind für die Landesunterkünfte für Geflüchtete vorgesehen. Im Bereich des Umweltministeriums sind 13 zusätzliche Stellen für die Genehmigung von Windkraftanlagen geplant, die durch Gebühren der antragstellenden Unternehmen fremdfinanziert werden. So bleibt Schleswig-Holstein die Nummer 1 bei der Windkraft, ohne das Haushaltsdefizit zu erhöhen. Wichtig ist auch, dass die Investitionstätigkeit des Landes unverändert hoch bleibt. Die Investitionsquote liegt bei 11,4 Prozent. Damit trägt das Land als Auftraggeber auch zur Stabilisierung unserer Wirtschaft bei. Schon mehrfach genannt wurde die Unterstützung der Ansiedlung von Northvolt, die der Westküste ganz neue Impulse verleihen wird. Mit diesem Projekt wird Schleswig-Holstein zukünftig nicht nur erneuerbare Energien exportieren, sondern nachhaltige Wertschöpfung im Land generieren. Aber auch andere Schwerpunkte können fortgeführt werden: Wir stärken den Katastrophenschutz, den Bevölkerungsschutz und die Landesfeuerwehrschule. Es werden Mittel für die Weiterentwicklung der Krankenhausinfrastruktur bereitgestellt. Die Waldschutz- und Waldentwicklungsstrategie wird auf den Weg gebracht. Die Wasser- und Bodenverbände werden bei der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie unterstützt. Angesichts der schwierigen Lage möchte ich positiv erwähnen, dass an vielen Stellen keine Mittel gestrichen werden mussten. Insbesondere die Einzelförderungen im Kulturbereich und im Bereich Minderheiten wurden komplett von Kürzungen ausgenommen. Insgesamt enthält der Haushalt 2024 angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen eine Schwerpunktsetzung mit Augenmaß. Zum Gesamtbild gehört allerdings auch, dass die Herausforderungen 2025 voraussichtlich noch größer werden. Ohne eine Reform der Schuldenbremse oder eine Verbesserung der Einnahmesituation durch steuerliche Reformen des Bundes wird sich die Haushaltslage verschärfen. Das geht nicht nur Schleswig-Holstein so, sondern auch anderen Ländern. Sparpolitik geht vor allem zu Lasten der Schwächsten, denn sie trifft auch das Bildungssystem, den Sozialstaat und die Daseinsvorsorge. Damit ist Sparpolitik eine Gefahr für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Sparpolitik ist auch eine Gefahr für die Wirtschaft, wenn dringend notwendige Maßnahmen zur Klimatransformation nicht umgesetzt werden können. Sparpolitik vernachlässigt unsere Infrastruktur und bedroht damit auf längere Sicht unsere Wettbewerbsfähigkeit als Wirtschaftsstandort und unseren Wohlstand. Und Sparpolitik verhindert wirksamen Klimaschutz und sorgt damit zukünftig für höhere Kosten. Die Ostseeflut im Herbst war nur der Vorbote künftiger Naturkatastrophen. Unsere Koalition wird auch in schwierigen Zeiten versuchen, für Schleswig-Holstein, die richtigen Prioritäten zu setzen. Doch wer behauptet, die finanziellen Herausforderungen seien allein durch Prioritätensetzung zu lösen, hat die Dimension des Problems nicht begriffen. In diesem Jahr ist es mithilfe des Einsatzes von Notkrediten gelungen, einen verfassungskonformen Haushalt aufzustellen. Doch für die Zukunft braucht es andere Lösungen, sonst werden drastische Kürzungen im Landeshaushalt zukünftig nicht zu vermeiden sein. Kieler Landtag, 24.01.2024